Tag #5: Oberstleutnant, Peter und „Adolf war doch nicht schlimm“

Mein aktueller Zustand: Gedanken irren zwischen heute kennen gelernten Heimbewohnern und eigener Vergangenheit hin und her. Aber nun mal langsam:

Dienstbeginn um 10:00 Uhr

Weniger schlimm als gedacht verlief die Einführung. Gleiche Leier wie gestern: haufenweise Pflichten, wenig Rechte, 9,5 Stunden Arbeiten pro Tag. Stop. Moment. Hat die gerade 9,5 Stunden gesagt? Ja bin ich denn behämmert? Mund wieder zugemacht, Klappe gehalten und weiter zugehört. Die Oberbekleidung welche auf der Straße getragen wird, darf nicht im Haus getragen werden. Aha, toll, ich darf meinen Spint also zum Kleiderschrank umfunktionieren, toll. Straßenschuhe sind ebenfalls tabu. Ergo: Ganzkörperkondom wäre die ultimative Lösung.

Hallo Evelin(e?)!

Das ist jene Person, die mich (und 2 weitere Zivi’s) in den Dienst eingewiesen hat. Toll, in ca 25 Minuten 2 Etagen abgewandert, zig Personen vorgestellt und erklärt bekommen, dass man per default äh ’normalerweise‘ mit allen per Sie ist. Was wusste ich nach insgesamt 40 Minuten: ich hatte mir gemerkt wo der Ausgang ist :D.

Das ist Herr T.!

Da der Vormittag etwas hektisch über die Bühne ging, blieb nicht viel Zeit. Alle Bewohner wurden uns im Schnelldurchgang vorgestellt und wir wurden auch gleich ‚zur Brust genommen‘. Essen austeilen und jene ‚füttern‘ (ich hasse dieses Wort. Es ist definitiv herablassend.) die selbst nicht mehr dazu in der Lage sind. Herr T. dürfte um die 85 sein, eigentlich noch recht fit. Er war Oberstleutnant des Jagdkommandos im Jahr 1945. Er kann sich an alle Details erinnern, wusste noch wen er erschossen hat und welche Kameraden er liegen lassen musste – ‚uah‘ denk ich mir und sehe zu, dass ich zusätzlichen Sicherheitsabstand gewinne.

20 Minuten später bekam ich die Meldung des Tages zu hören: „Jürgen, ich muss dir sagen: Adolf war doch nicht schlimm„, meinte Herr T.. So große Augen und einen dummen Blick hatte ich schon lange nicht mehr. Muss ich mir das anhören? Ja, leider. Ich durfte mir einen tollen Vortrag darüber anhören, dass A.H. doch nur seine Heimat ‚bereinigt‘ hat. Und Herr T. fand das gar nicht schlimm, die ‚gelben Juden‘ brauchte ja niemand.

Äh, Evelin(e?)? Hast du einen Moment Zeit?

Nachdem ich meinen Ausdrücklichen Wunsch auf Versetzung geäußert hatte, wurde dieser auch respektiert und ich durfte mich mit einer älteren Dame beschäftigen – sie machte einen weniger gefährlichen Eindruck (gut, der Stock könnte ein getarnter Schlagstock sein und wer weiß … ).

„Jo schau, da Peta besucht mich auch wieda.“

Hä? Ich seh mich um und bemerke dass nur ich in ihrem Blickfeld war. Peter? Welche Drogen werden hier verteilt? Warum bekomme ich keine?

Auf den morgigen Tag freue ich mich ehrlich gesagt nicht: 07:20 Dienstbeginn, von 12:30 bis 13:30 Pause und danach wieder Dienst bis 17:50. Kann mich bitte irgendjemand erlösen? Den Adolf seelig-Sprecher will ich morgen jedenfalls nicht sehen.

3 Gedanken zu „Tag #5: Oberstleutnant, Peter und „Adolf war doch nicht schlimm“

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  3. Hallo!!

    Irgend wie kommt mir das so vor wie „Schalom, Herr General“.
    Weiß nicht ob du das kennst!?

    mfg

    Philipp

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